Interkulturelle Öffnung in Hospiz- und Palliativbereich und Altershospizarbeit
In der deutschen Migrationsgeschichte gab es viele Phasen der Zuwanderung aus unterschiedlichen Gründen und aus verschiedenen Ländern. Die Berliner Bevölkerung wird immer internationaler: Der Anteil der Einwohner mit ausländischen Wurzeln liegt inzwischen bei rund 35 Prozent bzw. über 1,3 Millionen Einwohner:innen aus über 190 Nationen und mit mehr als 100 Sprachen.
Auch wächst kaum eine Bevölkerungsgruppe in der Stadt so rasant wie die der ältere Migrant:innen – dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass viele dieser Frauen und Männer in den 1960er Jahren als sogenannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen waren. Aber auch die Zahl schwerstkranker und versorgungsintensiver Kinder und Jugendlichen in Familien mit Migrationshintergrund steigt. Für viele ist es mit großen Schwierigkeiten verbunden, sich im deutschen Sozial-, Gesundheits- und Pflegesystem zurechtzufinden.
Ansprechpartnerin & Fachzuständige für Interkulturelle Öffnung Hospiz in Berlin:
Jala El Jazairi | Tel.: 030 422 65 885 | E-Mail: post@hospiz-aktuell.de
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Handout und Checklisten zum kultursensiblen Handeln im Hospiz- und Palliativbereich
Im Ergebnis einer interreligiösen Fachtagung „Umgang mit Tod und Trauer in verschiedenen Kulturen und Religionen“, organisiert von der Zentralen Anlaufstelle Hospiz und dem Berliner Forum der Religionen (s. u.) wurden am 3. Januar 2024 ein Handout und Checklisten für den religions- und kultursensiblem Umgang mit Patient:innen erstellt. Diese ersten Ergebnisse des Kooperationsprojektes „Religionssensible Hospiz- und Palliativ-Arbeit – ReHoP“ sind online und als Druckfassung veröffentlicht:
- Handout für kultursensibles Handeln im Hospiz- und Palliativbereich: Islam
- Checkliste für kultursensibles Handeln im Hospiz- und Palliativbereich
- Checkliste für Patient:innen, An- und Zugehörige
Die Checklisten und das begleitende Handout richten sich sowohl an ehrenamtlich Engagierte und Fachpersonal im Hospiz- und Palliativbereich (stationär und ambulant), als auch an Patient:innen. Begonnen wird die Reihe mit Einblicken in die Bedarfe von Menschen mit muslimischem Hintergrund, weitere Religionen werden folgen. Geplant ist außerdem die Übersetzung in acht Sprachen.
Die Zentralen Anlaufstelle Hospiz des Unionhilfswerks (Bereich IKÖ HPV) und das Berliner Forum der Religionen arbeiten seit 2022 eng zur Thematik zusammen. Die nun veröffentlichten Unterlagen wurden auf der Interreligiösen Fachtagung „Wie möchtest du sterben? Kultursensibel leben, würdevoll sterben“ am 26. Oktober 2023 (s. u.) in breitem Kreis vorgestellt und diskutiert.
Checklisten in verschiedenen Sprachen
Interreligiöse Fachtagung 2024:
"Wie erleben Buddhist:innen Zeiten von schwerer Krankheit, Sterben und Trauer?"
In der Reihe Religions- und kultursensible Hospiz- und Palliativarbeit fand am, 14. Oktober eine Fachtagung zum Thema "Wie erleben Buddhist:innen Zeiten von schwerer Krankheit, Sterben und Trauer?"im buddhistischen Zentrum Bodhicharya Deutschland e. V. an der Kinzigstraße in Friedrichshain statt. 50 Personen besuchten die von der Zentralen Anlaufstelle Hospiz und dem Berliner Forum der Religionen im Rahmen des gemeinsamen Projekts ReHoP (Religionssensible Hospiz- und Palliativarbeit) ausgerichtete Veranstaltung, auf der u. a. ein Handout für kultursensibles Handeln im Hospiz- und Palliativbereich am Beispiel des Buddhismus vorgestellt und anschließend in Workshops diskutiert wurde.
Tagungsbericht
Tagungsdokumentation
Interreligiöse Fachtagung 2023:
„Wie möchtest du sterben? Kultursensibel leben, würdevoll sterben“
Glaube und Spiritualität bieten vielen Halt am Lebensende. Dabei begegnen Begleitpersonen und Pflegepersonal den vielfältigen Glaubenswelten der Patient:innen. Diesbezügliche Herausforderungen betrachteten wir mit der Zentralen Anlaufstelle Hospiz auf unserer Fachtagung „Umgang mit Tod und Trauer in verschiedenen Kulturen und Religionen“.
Groß war das Interesse an einem gelungenen kultursensiblem Umgang mit Patient:innen. Die Teilnehmenden wünschten sich Einblicke in Bedarfe von Menschen mit muslimischem Kontext. „Diesen Wünschen gingen wir seitdem in unserer monatlichen Arbeitsgruppe nach. Auf unserer Fachtagung am 26. Oktober stellten wir nun in der Charlottenburger Friedenskirche unsere beiden Handreichungen vor und hoffen, dass sie viele wertvolle Begegnungen ermöglichen“, sagte Jala El Jazairi von der Zentralen Anlaufstelle Hospiz.
Checkliste für Kultursensibilität schafft Vertrauen im Pflegealltag
In der Checkliste für kultursensibles Handeln im Hospiz- und Palliativ-Bereich gibt Dr. Siavash Tehrani (SAPV-Arzt) Pflegekräften und Patient:innen Leitlinien für eine gelingende interkulturellen Kommunikation an die Hand. Dabei setzt er auf das in Pflegekreisen bekannte Kitteltaschenformat - zugeschnitten auf den medizinischen Praxisalltag. Die Checkliste sollen Pflegekräfte ihren Patient:innen zu Beginn der Behandlung überreichen. „Das schafft Vertrauen und Verbindlichkeit“, so Tehrani. Die Patient:innen informiert die Liste über ihre Rechte und weitere Anlaufstellen. Die Pflegenden werden darin unterstützt, die Autonomie und Würde der Patient:innen zu wahren.
Handout informiert Pflegekräfte über islamische Kultur
Imam Said Arif stellte das „Handout für kultursensibles Handeln in der Hospiz-und Palliativcare: Islam“ vor. Er betonte den hohen Informationsbedarf – Pflegekräfte fragen ihn regelmäßig in der Moschee um Rat. Herausfordernd waren für Arif die regionalen Unterschiede der muslimischen Glaubenspraxis. Weil die Handreichung den Pflegenden eine erste Orientierung vermitteln soll, ist es so allgemein wie möglich gestaltet. Das Handout wird in Hospizen verteilt, aber auch in Moscheen und überall, wo muslimische Seelsorge gebraucht wird.
„Kultursensibilität ist keine Einbahnstraße“
Dr. Mimoun Azizi (Facharzt für Psychiatrie) forderte mehr Zusammenarbeit in der Pflege. „Kultursensibilität bedeutet, wir müssen uns zusammentun“, Dr. Azizi plädiert für einen interkulturellen Dachverband der Hospize, über nationale und religiöse Grenzen hinweg. Dafür wünscht er sich mehr politische Unterstützung. „Interkulturelle Kommunikation kann man lernen“, führte Azizi weiter aus. Kultursensibilität bedeutet für ihn, alle menschlichen und gesellschaftlichen Unterschiede anzuerkennen – über Migration und Religion hinaus. Er betonte: „Kultursensibilität ist keine Einbahnstraße“.
„Es ist noch viel zu tun“
Von seinen Erfahrungen aus der islamischen Bestattung in Berlin berichtete Isikali Karayel (Markaz internationale Bestattungen und Überführungen). Er schilderte, wie er nach islamischem Ritus die erste sarglose Bestattung in Berlin durchführte - zuvor musste der sogenannte „Sargzwang“ abgeschafft werden. Dies sei nur eine der Herausforderungen, die er als islamischer Bestatter meisterte. „Sterben in Deutschland ist sehr kompliziert“, so Karayel und meint die bürokratischen Hürden, die den Bestattungstermin tage- und wochenlang verzögern können. Im Islam soll die Bestattung 48 Stunden nach dem Tod stattfinden. „Macht das Sterben unbürokratischer“, fordert auch Imam Said Arif. Außerdem gibt es nur kleine Bereiche für muslimische Gräber auf kirchlichen Friedhöfen. Karayel kämpft seit Langem für einen eigenen islamischen Friedhof in Berlin. „Es ist noch viel zu tun“, beendet der Bestatter die Gesprächsrunde.
Dieser Meinung schließen wir uns an. Die Resonanz der Teilnehmenden unserer Fachtagung und des Pflegepersonals ist so umwerfend, dass wir planen, unsere Handreichungen zum kultursensiblen Handeln in der Palliativ- und Hospizpflege zu erweitern. Verschiedene Handouts zu den vielfältigen Religionen und in mehreren Sprachen sollen folgen.
Verfasst von Samantha Kneissler (Berliner Forum der Religionen) am 21.11.2023.
September 2023: Info-Veranstaltung Versorung am Lebensende in der Migration
Am 14. September 2023 fand eine Informationsveranstaltung bei GePGeMi e.V., der Gesellschaft für Psychosoziale Gesundheitsförderung bei Migrantengruppen insbesondere aus asiatischen Ländern, statt, die sich dem wichtigen Thema der Versorgung am Lebensende in der Migration widmete.
Die Veranstaltung zog Teilnehmer:innen aus verschiedenen Communities und Organisationen an und bot zwei Vorträge: "Berliner Hausbesuch" - ein präventives Angebot gegen die Einsamkeit im Alter, gefördert von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege (SenWGPG) - und eine Einführung in das Thema Hospiz- und Palliativversorgung. In diesem Blog-Beitrag werden wir uns eingehend mit diesen beiden Vorträgen befassen.
Online-Fachtag 2022:
Nachhaltige Kommunikation und Informationsvermittlung für Menschen mit Migrationsgeschichte in den Bereichen Demenz, Hospiz und Palliative Care
Die Pflege der alten Mutter ist nicht mehr zu schaffen. Ein Freund liegt mit einer Krebserkrankung im Sterben. Gut, dass es für solche Fälle Beratungs- und Unterstützungsangebote für Angehörige und Nahestehende gibt. Doch anders sieht es aus bei Menschen mit Migrationshintergrund – die nämlich nutzen Leistungen aus der Pflegeversicherung und Unterstützungsangebote in Beratung und Selbsthilfe signifikant weniger als Deutschstämmige. Noch auffälliger ist die Zurückhaltung, wenn es um Demenz oder die palliative Versorgung am Lebensende geht. Welche Gründe das hat und wie man die Informations- und Kommunikationssituation in diesem Feld verbessern kann, darum gingt es auf einem Online-Fachtag am 30. November 2022 in Kooperation der Fachstelle für Pflegende Angehörige mit der Zentralen Anlaufstelle Hospiz (ZAH).
In dem fachlichen Austausch zum Thema „Information und Kommunikation“ wurde Fragen wie „Was hat sich bewährt?“, „Wo ist ein Umdenken nötig?“, „Wo gibt es Ansätze für andere, nachhaltige Wege?“ oder „Gibt es kulturelle Leitbilder und Handlungserwartungen, die man inhaltlich berücksichtigen sollte?“, nachgegangen und Beispiele guter Praxis aufgezeigt. Diskutiert wurde, wie sich die momentane Situation ändern lässt und welche Kommunikations- und Informationswege und -mittel dafür geeignet sind. Eingeladen waren Vertreter:innen aus kulturellen und religiösen Gemeinschaften, aus Forschung, Demenz- und HPV-Fachgesellschaften, Pflege, Beratung, Prävention und Selbsthilfe und natürlich aus der Verwaltung, von Pflegekassen und Medien.
September 2022: Info-Veranstaltung zur kultursensiblen Palliativ- und Hospizarbeit für arabischsprachige Community
Am 17. September 2022 wurde erstmals eine Info-Veranstaltung zur kultursensiblen Palliativ- und Hospizarbeit für arabischsprachige Migranteninnen in der Flüchtlingskirche in Berlin-Kreuzberg durchgeführt. Und das mit großem Erfolg: Insgesamt 46 Teilnehmerinnen aus verschiedenen arabischen Länder und aus unterschiedlichen Generationen waren gekommen, die arabische Community in Berlin hat die Veranstaltung sehr gut angenommen.
Organisiert in Zusammenarbeit der Zentralen Anlaufstelle Hospiz mit den Brückenbauer*innen Palliative Care haben viele Menschen mit Migrationshintergrund die Veranstaltung mitgetragen – so etwa durch Hilfe beim Ausgestalten des Raumes, mit Essen und Musik oder durch Betreuung der Kinder, was als Zeichen für ein großes Interesse am Thema gewertet werden kann.
Begrüßt wurden die Gäste von Nazife Sari, der Leiterin des Projektes Brückenbauer*innen Palliative Care der Diakonie und Jala El Jazairi, Koordinatorin für Interkulturelle Öffnung in der Zentralle Anlaufstelle Hospiz des Unionhilfswerks. Nazife Sari stellte das Projekts Brückenbauer*innen und die Aspekte der Unterstützung der Menschen mit Migrationshintergrund vor. Jala El Jazairi erklärte auf Arabisch die Bedeutung der Palliativversorgung und gab einen Überblick über die Angebote in Berlin.
In der Diskussion gab es viel Raum für Fragen aus dem Publikum, außerdem berichteten einige Teilnehmerinnen aus der arabischsprachigen Community über ihr Engagement und ihre Erfahrungen in diesem Bereich. Muhannad Abulatifeh, Brückenbauer für Arabischsprachige, hielt z. B. einen Vortrag über die Hilfsangebote der Brückenbauer*innen.
Das Veranstaltungsformat, eine Mischung aus Infovorträge, offener Diskussion, leckerem Essen und Kinderbetreuung mit Spielen und Basteln sowie einer abschließenden Darbietung des Hannen Chors – einer freiwillige Initiative des Hanin-Kulturforums –, sorgte für einen lebendigen Ablauf. Berührend war dann auch die Diskussion mit pflegenden Angehörigen und Senior:innen über ihre Erfahrungen und die Bereitschaft der Menschen, sich zu engagieren. So fragte ein Teilnehmer: „Ich möchte gerne schwerstkranken Menschen helfen. Darf ich mich engagieren, auch wann ich nicht sehr gut Deutsch spreche?“ Und eine andere Teilnehmerin erzählte: „Mein Mann ist vor einem Jahr gestorben, dadurch habe ich das Hospiz entdeckt. Heute bin ich hier um zu erfahren, wie ich mich ehrenamtlich für Menschen am Lebensende engagieren kann.“
Die Infoveranstaltung wurde im Rahmen der Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit in der Hospiz- und Palliativversorgung in Berlin zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund und aus anderen Kulturkreisen durchgeführt. Dieses Format soll zukünftig auch für andere Sprachen und kulturelle Gruppen organisiert werden.